Roter Herbst in Chortitza: Nach einer wahren Geschichte

Ein sehr bedrückendes und teils grausames Buch, eine Geschichte die auf wahren Begebenheiten ruht und das macht das Lesen manchmal so schwer.

Mein Herz hat mitgeweint, wie kann es sein das soviel Gewalt und Brutalität so plötzlich über ein Land schwappen?

Diese Not, diese Ängste, die Folter und die vielen Verbote - ständig das Gefühl etwas falsch zu machen und dafür verhaftet zu werden - so schrecklich.

Willi und die anderen Menschen in Osterwick versuchen das Rechte zu tun, als Mennoniten lehnen sie Gewalt ab - und dann sehen sie zu wie die eigenen Frauen vergewaltigt werden, wie Gewalt angewandt wird und stehen verzweifelt daneben als sie Land und Besitz verlieren.

Stalin hatte die Enteignung angeordnet und in etwa zwei Jahren werden mehr als 800.000 Personen verhaftet, erschossen oder in den Gulag deportiert.

Männer verschwinden aus dem Dorf und werden nie mehr gesehen, die "Steuer" in Form von Getreide wird immer höher so das am Ende niemand mehr was zu essen hat.

Der Hunger hat sie alle im Griff und dann lese ich:

"Schön, dich zu sehen, Willi."
"Seid ihr alle wohlauf? Geht es Alina und eurem Sohn gut?"
"Alina geht es gut, danke:"
"Und dem Kind?"
Isaak schüttelt traurig den Kopf, ohne ein Wort zu sagen. Willi verstand.
"Wie heißt er denn eigentlich und wo habt ihr ihn beerdigt?"
Isaak schüttelt nun immer heftiger den Kopf, wich Willis Fragen deutlich aus. Tränen schossen ihm in die Augen.
Er blieb stehen, blickte Willi direkt an: "Wir hatten noch gar keinen Namen für ihn:"
Mit diesen Worten lief er davon ...
Eine Ahnung kroch in Willi empor. Plötzlich wusste er, warum Alina und Isaak noch lebten, obwohl sie dem Tod zuletzt so nahe waren. Und er wusste auch, das es für den kleinen Jungen kein Grab gab.

So schrecklich, so grausam - so qualvoll ist das Leben damals gewesen -
ich habe mitgelitten und allein bei dem Gedanken tut mir das Herz weh.

Wie dankbar können wir sein das es uns so gut geht - es war nicht immer so.

Wer schwere Kost verträgt und sich für die Vergangenheit interessiert, vielleicht sogar die der eigenen Familie, der sollte dieses Buch lesen.

Informationen zum Buch
Roter Herbst in Chortitza: Nach einer wahren Geschichte
Tim Tichatzki
Hardcover
464
2018
Brunnen
1919. Ein Bürgerkrieg fegt mit aller Gewalt über das zerfallende Zarenreich. Gefangen zwischen den Fronten, finden die beiden Freunde Willi und Maxim ein von Soldaten zurückgelassenes Maschinengewehr. Für Maxim ein Geschenk des Himmels, für Willi die größte Herausforderung seines Glaubens, denn als Sohn mennonitischer Siedler hat er gelernt, jede Form von Gewalt abzulehnen. Eine Zerreißprobe für die Freundschaft der beiden Jungs. Während Willis Familie in der aufkommenden Sowjetdiktatur ums nackte Überleben und um ihren Glauben kämpft, schlägt sich Maxim ausgerechnet auf die Seite des Regimes. Beide wissen nicht, ob sich ihre Wege je noch einmal kreuzen werden. Der Autor blickt in eines der dunkelsten Kapitel europäischer Geschichte, und erzählt zugleich ein Stück eigener Familiengeschichte. Ungemein packend und herzergreifend zu lesen. Aus dem Nachwort des Autors: Fast zweihundert Menschen schauen heute – siebzig Jahre später – auf Willi und Elisabeth als ihre Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern zurück. Ein Vermächtnis, das kaum einer je zu träumen wagte, der die damaligen Zeiten miterleben musste. Es ist die Geschichte einer Familie, in die ich hineingeheiratet habe und die sich mir über viele Jahre – wie ein stetig wachsendes Mosaik – erschlossen hat. Ich habe lange nach einer geeigneten Form gesucht, um dieses Mosaik festzuhalten. Und so ist schließlich dieses Buch entstanden, in dem sich die Erinnerungen meiner Schwiegermutter in den Erlebnissen von Gretas Familie wiederspiegeln. Die Figur des Maxim ist hingegen fiktiv, steht aber stellvertretend für die ganze sowjetische Tragödie, die so viel Leid über so viele Menschen gebracht hat. Meine Hoffnung ist, dass dieses Buch einen Beitrag leisten kann, die Geschehnisse von damals nicht zu vergessen, sondern für nachfolgende Generationen am Leben zu erhalten.